Notiz-Blog

...alles, was nicht ganz (Ge)dicht ist


The Moment after Midnight

Prologue
The moment after midnight is
when all that’s left are open eyes in dull-lit rooms
lines of thought filling them from one wall to the other.

The moment after midnight
is when the outside world is muted.
The moment after midnight
is the time to meet your demons.

First Chapter
I have known them since I was little.
We didn't see each other often. But we never lost sight.
Last week, I was reminded of the moment that they first trespassed.

I was eight, then; as usual, incapable of falling asleep.
I spent hours
turning my sheets, myself and my thoughts away.

But they were insistent.
Until they got me. 
Got me to understand the one thing that my eight-year-old mind wanted to resist.
Never that clear.
Never that distinct.

EVERYTHING IS TRANSITORY.

I wanted these letters to blur,
to fade away.
But once they had seeded
they spread through every fibre of me.
As in Hyper-Insomnia-Para-Condroid, the Sum 41 song: 
"SILENCE IS SCREAMING IN MY HEAD - STUCK ON REPEAT"
Transitory: the 10-letter-word.
It shrunk my whole little me. 
And nothing, really nothing, could get me away from this awareness.

I tried to lock this word,
this persistent thought,
out of my mind, heart and soul,
out of who I had instantly become
to get back to who I had been
just a glimpse
before.

Back then, I pictured myself,
bravely grabbing this life-become thought
with both hands squeezing it into a small wooden chest,
tightening it with laces made of the emerging wish to forget.

Whatever I tried,
nothing lasted
but the 10-letter-word.

So I took a melody
of a song
that actually did not mean a lot to me.
I used it as a germicide,
something to soak the thought in.
Something to wrap it into.
To prevent an infection of the rest.
The leftovers of who I was before.

I swore to myself
Never to think of that word again.
That idea that
no matter what you do -
nothing will stay the same.
That idea that
no matter how hard you try -
you cannot keep things from vanishing,
people from changing,
time from aging.

I regretted to let go
of what I had not yet experienced.
I regretted
having started to regret.
 

Last Chapter
Last week, I was reminded of that night
The eight-year-old in the dull-lit room
By a melody on the radio.
The melody of that one
- once meaningless, later fatal - song.

The truth is: the melody never really worked as a germicide. 
Once infected, the awareness of transiency stayed with me.
In my heart, mind and soul.
And it changed who I was to who I am:

Someone incapable of falling asleep in
the moment after midnight;
Someone never losing sight of her
minute-after-midnight demons;
Someone unable to mute either her thoughts or feelings;
Someone - as Goethe said - in love with both:
Her roots and wings;
Someone appreciating the consistency of change
finally.
 

Epilogue
The truth is also:
When I heard the melody on the radio last week
it was the first time I actually listened
to the lyrics:

"You're so consumed with how much you get
You waste your time with hate and regret
You're broken
When your heart's not open."

November 2016

Für: In search of Basho


Paris danach

Gedankenschlangen mehren sich,
schnüren meinem Gehirn die Luft ab
Trotzdem: Ich denke, denke, denke.
Was bleibt: Leere im Kopf
Meine Gedanken schreien
Ich hole Luft
und bleibe still.
Alles bebt,
richtungslos verharrend.
Tiefste Trauer, Wut, Ohnmacht,
aber keine Angst.
Es ist wegen Paris.
Und wegen meiner Ignoranz davor,
danach?
Paris, meine Stadt,
ein zweiter Anschlag.
Dieses Mal noch näher
an meinem Leben in Paris,
Le Petit Cambodge,
2014 Teil meines Alltags,

Keine 200 Meter zu meiner Wohnung,
Ein Ort vieler Gesichter, vieler Geschichten,
aller Kulturen.
Ein kleines Zuhause im großen Paris.
Heute: Ort des Terrors.
Der Terror wird nicht schlimmer,
Wenn man selbst Opfer und Orte kennt.
Aber er kommt näher.
Meine Gedanken laufen sie entlang,
Die Rue Alibert,
Immer und immer wieder
Wie 2014 fast jeden Tag.
Die Anschläge werden nicht schlimmer,
aber die Bilder in meinem Kopf bunter,
die Schreie lauter.
Ich stelle mir nicht vor:
„Was wäre, wenn ICH dort gewesen wäre?“
Auch nicht: „Was, wenn meine Freunde dort gewesen wären?“
Aber ich sehe Bilder, die ich nicht gesehen habe.
Ständig, gefangen in einer Dauerschleife.
Diese Bilder reißen Löcher in mein Herz.
Seit den Anschlägen bin ich wie in einem Kokon.
Ein Kokon aus Trauer, aus Wut, vor allem aber Ohnmacht,
gewebt aus Fragen, zu denen die Antworten fehlen.
Die Nachrichten reden, reden und reden,
die Bilder zeigen mehr als sie zeigen sollten,
Meine Augen blicken auf den Fernseher,
und doch durch ihn hindurch.
Trauer ist allgegenwärtig,
Die Tränen kommen und gehen,
Doch daneben gibt es ein zweites Gefühl:
Ich schäme mich
Für meine Ignoranz.
Von Beirut habe ich nicht gewusst,
Suruc, Ankara, das russische Flugzeug
flogen fast spurlos an mir vorbei.
Paris ist meine Stadt
Und Nähe macht betroffen - menschlich.
Und alltagstauglich.
Jetzt gerade trauere ich und schäme mich.
Zu ähnlich großen Teilen.

Ich habe keine Angst vor den Terroristen.
Ich will keine Angst vor ihnen haben,
mein Leben nicht von ihnen bestimmen lassen.
Will weiter auf Konzerte gehen und in Metropolen reisen
- in mein Paris und im Petit Cambodge essen gehen,
Freunde treffen

- aus aller Welt.
Aber beim Auftakt-Kopfschuss vom Sonntagstatort zucke ich zusammen.
Und langsam gewinnen auch die Bilder aus dem fernen Syrien, aus Nigeria und dem Rest der Welt
an Farbe … 

15. November 2015 

 


Vielleicht doch nicht

 

Sind wir die Generation "Vielleicht"? Die Generation, die sich alle Optionen bis zuletzt offen hält, die Rosinen-Picker, die geplant spontanen Absager? Vielleicht ist dieses "Vielleicht" nicht nur für die Leute anstrengend, die auf unsere Antwort warten - vielleicht ist dieses "Vielleicht" sogar für uns selbst gar nicht so gut. Vielleicht ist ein Ja, vielleicht ist ein Nein, etwas Definitives, auch für uns, die Entscheider, entlastender. Einfacher, als die stetige Koordination, das stetig Ungewisse, das mechanisch gestammelte "mal gucken, vielleicht, ich weiß noch nicht, was dann ist." Vielleicht sollten wir einfach wieder mit Kugelschreibern in unsere Terminkalender schreiben.
... vielleicht mache ich das morgen so.


Sonniger Sonntag - The Happy Show

"The Happy Show" in "La Gaîté lyrique"
Eine Ausstellung von Stefan Sagemeister.

(Aus Österreich, lebt in New York)

 

Wasserbomben, die schönste Melodie der Welt, Karten mit Aufgaben für jeden Besucher, Leuchtbuchstaben, die nur strahlten, wenn man auf einem Fahrrad radelte:

 

"ACTUALLY DOING THE THINGS I SET ME

INCREASES MY OVERALL LEVEL OF SATISFACTION."

 

Nach dieser weiß leuchtenden Botschaft, erschienen große, in dieser Stimmung fast schon aggressiv wirkende rote Buchstaben:

 

"SEARCH DISCOMFORT"

 

... in einem seiner Filme, sagte Sagemeister über seine Projekte:

"Immer, wenn ich Dinge mache, die ich schon gemacht habe, langweile ich mich.
Immer, wenn ich Dinge mache, die ich noch nicht gemacht habe,

habe ich Angst."

 

... ein inspirierender Sonntag.

März 2014


Alltag

... wenn man in einer Stadt wohnt, dann tut man das mit allem, was dazu gehört. Inklusive Wohnungsputz und der Erkenntis, dass man nach dem anschließenden Kochen - wenn man keine Spülmaschine hat - gleich wieder von vorne anfangen kann.

Im Hintergrund dazu:
Das Skelett des Eiffelturms, umrahmt in Feuerrot.
Paris steht auf Extreme - besonders heute.
Von Grau zu Rot.
Und am Ende trotzdem niemals Schwarz,
Niemals Nachtruhe unter dem dunstigen orangenen Schleier der Sariser Straßenlaternen.

1. März 2014